Eine wirkliche „Behandlung“ von simplen Erkältungskrankheiten ist leider immer noch nicht gegeben, auch wenn durch intensive Werbung auf diesem Gebiet ein anderer Eindruck hervorgerufen wird. Erkältungskrankheiten werden fast ausschließlich zunächst durch verschiedene Viren hervorgerufen, und glücklicherweise kann der gesunde Körper meistens bereits an den Kontaktflächen im Nasen-, Rachen- und Halsbereich die angeflogenen Viren unschädlich machen, bevor es zu einer Ansteckung des ganzen Körpers kommt. Hierzu bedarf es einer guten Durchblutung, die auch bei niedrigen Lufttemperaturen funktioniert. Eine Abhärtung bzw. Training der Durchblutungsregulation durch Kaltwasserreize oder Sport fördert diese – ergänzend mag eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Spurenstoffen für die lokale Immunabwehr günstig sein. Wenn aber zu viele Viren angekommen sind und die lokale Immunabwehr nicht ausreicht, dann kommt es zu einer Reaktion der Schleimhäute mit Reizung, Entzündung und auch mit Schleimbildung. Diese natürlichen Abwehr-Reaktionen sollen ein Eindringen und Vermehren der Viren in tiefere Gewebeschichten verhindern. Der Schleim hüllt die Viren ein und gelangt letztendlich in den Magen und Darm. Die geschluckten Viren werden zwar im Magen inaktiviert, aber die Reste des Virus setzen dann eine spezifische Immunabwehr an den Kontaktflächen des Darm-assoziierten Immunsystems in Gang. Dies ist wichtig, falls bereits lebendige Viren aus den Schleimhäuten in die Blutbahn gelangt sind und nun den ganzen Körper „systemisch“ bedrohen. Dies kann einhergehen mit Mattigkeitsgefühl, Müdigkeit und Fieber. In der Naturheilkunde versucht man diese natürlichen Abwehrprozesse zu unterstützen und möglichst sanft unangenehme Beschwerden zu lindern. So kann man bei kalter und trockener Nase den Nasenrücken massieren und mit Dampfinhalationen die Schleim-häute erwärmen und anfeuchten. Pflanzliche Zusätze mögen die Durch-blutung anregen und Keime zu hemmen. Auch bei Trockenheit und Reizung im Hals helfen diese Dampfinhalationen, zudem ist langsames Trinken von heißen Kräutertees nützlich – allein schon wegen der Erwärmung und Anfeuchtung. Honig im Tee oder Heilpflanzen mit Schleimstoffen wie Malve oder Spitzwegerich legen einen schützenden Film über die gereizten Schleimhäute und lindern somit Halsschmerzen, Heiserkeit und Reizhusten. So harmlos wirken viele stark beworbene „Grippemittel“ leider nicht. Wer mit entzündungshemmenden Sprays Beschwerden in der Nase behandelt, riskiert eine Hemmung der lokalen Immunabwehr. Wer hohe Dosierungen von Acetylsalicylsäure oder anderen Schmerzmitteln gegen seine „Schmerzen“ bzw. gegen sein Fieber einnimmt, riskiert jedenfalls eine Einschränkung seiner lokalen und systemischen Immunabwehr und eine ungehinderte Vermehrung der Viren im Körper. Wäre es da nicht besser, dem natürlichen Ruhebedürfnis zu folgen und den Infekt auszukurieren? Wer wegen Sod-brennen Säureblocker einnimmt, verhindert das Abtöten von geschluckten Viren. Sie können dann – oft auch erst Tage nach Beginn der Infektion – über den Darm in die Blutbahn gelangen und schwere Verläufe auslösen. Für Covid-19 ist inzwischen die Säureblocker-Einnahme als unabhängiger Risikofaktor erkannt worden – es könnte daran liegen, dass die Magen-Darm-Oberfläche besonders reich an ACE-Rezeptoren ist, an denen dieses Virus anbinden kann. Ansonsten weiß man aber leider immer noch kaum, ob bestimmte Therapien gegen „Erkältungen“ in manchen Ländern eine Rolle für die dort beobachteten häufigeren schweren Verläufe spielen.
Dr. med. Dr. rer. nat. Bernhard Uehleke
Abt. Naturheilkunde - Charité Berlin