Wandel der Bewegungskultur

Kneipp-Gesundheitsvisite Mai 2017

Viele Dinge wandeln sich im Laufe der Zeit – auch das Kneippsche Element der Bewegung hat seit Kneipps Lebzeiten eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich. Interessanterweise war auch hier Sebastian Kneipp seiner Zeit voraus, da er bei seinen Patienten damals schon Wert auf die persönliche Situation legte: Dem Schreibtisch-Beamten beispielsweise verordnete er Holzhacken, Feldarbeit und flotte Spazier­gänge. Kneipp erkannte also recht früh den Bezug zwischen sozialem bzw. beruflichem Umfeld und körperlicher Reaktion und damit eigentlich heute den aktuellen Stand der sogenannten „mind-body-Medizin“. Das Bewusstsein, den verminderten Gebrauch des menschlichen Körpers als bedeutenden negativ beeinflussenden Faktor der Gesunderhaltung zu sehen, versuchte Kneipp in den Köpfen seiner Zeitgenossen zu manifestieren. Sebastian Kneipp beschränkte sich nicht nur auf die Kräftigung des „menschlichen Leibs“ als Basis für einen „frischen und leistungsfähigen Geist“, sondern formulierte auch die Reduzierung von Über- oder Fehlbelastung während beruflicher Tätigkeit als wichtigen Baustein eines ganzheitlichen Gesundheitskonzepts.

 

„Jede Bewegung geschieht in einer Zeit und hat ein Ziel.“ Aristoteles


Sport und Bewegungsformen haben sich seit jeher gewandelt und weiterentwickelt. Lange Zeit galt der klassische Vereinssport, mit regelmäßigen Trainingszeiten in eigenen Räumlichkeiten bzw. Hallen, als Inbegriff der sportlichen Betätigung. Geprägt vom klassischen Olympismus der Moderne stand dabei jedoch vor allem das Leistungsprinzip, also der sportliche Wettkampf, im Vordergrund – Schlagworte wie Sieg, Höchstleistung und Rekorde unterstreichen diese Art der Bewegungskultur. Erst ab den 1970er Jahren rückten andere Werte ins gesellschaftliche Bewusstsein und veränderten nach und nach die sportlichen Motive: Auf einmal ging es den Menschen mehr um Spaß und Freude an der Bewegung, um das Erlebnis an sich und um eine Art Erfahrung des eigenen Körpers. Hinzu kam und kommt eine verstärkte individuelle Motivation, die von flexiblen Ausübungszeiten und -orten geprägt ist. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Boom des Inlineskatens in den 1990er Jahren. Eine ganze Generation war auf den Schuhen mit acht Rollen unterwegs und ganze Innenstädte sperrte man eigens für Inlineskate-Events. Auch wurden immer häufiger Bewegungsformen aus anderen Kulturkreisen übernommen und haben sich mittlerweile etabliert: Egal ob Yoga, T’ai Chi, Qigong, Eurythmie, Akrobatik, Ausdruckstanz und vieles mehr – auch hier lässt sich der Trend erkennen, dass es mehr um Körperwahrnehmung und Ästhetik als um sportlichen Wettkampf geht. Vielen Menschen ist es heutzutage auch ein wichtiges Anliegen, sich alleine und in aller Stille sich zu bewegen (Stichwort: Joggen im Wald); auch Fitnessstudios liegen im Trend der Zeit. Unsere Bewegungskultur ist ein dynamischer Prozess und befindet sich in einem stetigen Wandel. Es wird künftig vermehrt darum gehen, die vorhandenen gesellschaftlichen Bedürfnisse und Ansprüche besser wahrzunehmen und demzufolge traditionelle Inhalte des Sports um neue Komponenten zu erweitern; wie etwa die Verbindung von Bewegung, Spaß und Spiel. Übrigens hat Kneipp die seinerzeit nach Wörishofen kommenden, damals neuen, Sportarten wie Fahrradfahren und auch Tennis durchaus interessiert verfolgt. Allerdings darf bezweifelt werden, dass er die heutige Kommerzialisierung gutheißen würde. Es gibt inzwischen eine kaum überschaubare Bandbreite weiterer „Trendsportarten mit Spaßfaktor“, wie beispielsweise Muskeltraining mit dem Flexi-Bar (Schwungstab), Trampolinspringen, Bouldern, Crossgolf, Slacklining und vieles, vieles mehr. Hauptsache es macht Spaß oder wie Kneipp zu sagen pflegte:

„Was dem Menschen hilft, was ihn gesund macht, das ist gut für ihn.“

 

Dr. med. Dr. Bernhard Uehleke

Abt. Naturheilkunde - Charité Berlin

 

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